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Den meisten Berlinern und Berlin-Besuchern
ist das Ägyptische Museum Berlin mit seiner einmaligen Sammlung antiker
Stücke ein Begriff. Dass aber noch ein weiteres Berliner Museum altägyptische
Kleinodien beherbergt, dürfte selbst manchen Ägyptomanen überraschen.
Die Berufung des Botanischen Museums in Berlin-Dahlem ist es eigentlich, dem
Publikum die Pflanzenwelt und die Geheimnisse der Evolution näher zu
bringen. Aber es gibt dort noch mehr. Allein der Ausflug in den Botanischen
Gartens ist schon lohnend, aber für Ägypten-Begeisterte sollte der
anschließende Besuch des dortigen Museums zu einem Muss geraten.
Fotos: Gitta Warnemünde
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Der Grabschmuck Ramses' II. |
Rekonstruktion des Mumienschmucks Ramses'
II.
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In der langen
Reihe der Pharaonen Ägyptens ist Ramses Il. die vielleicht bedeutendste
Persönlichkeit. Er hat länger regiert als alle seine Vorgänger
und Nachfolger, nämlich die schier unglaubliche Zeit von sechsundsechzig
Jahren, von 1290 bis 1224 v. Chr. Unter seiner Herrschaft kam es in seinem
immensen Reich zu einer außerordentlich intensiven Bautätigkeit,
von der unvergleichliche Kolossalstatuen auf uns gekommen sind; so der Felstempel
von Abu Simbel mit seinen vier fast zwanzigfach überlebensgroßen
Statuen des Herrschers. Die im Alten Testament genannte Ramses-Stadt bezieht
sich vermutlich auf ihn. Sein Beiname „Große Sonne Ägyptens" ist
somit angemessen.
Als Ramses Il. im Jahre 1224 v. Chr. über neunzigjährig starb,
wurde er wie seine Vorgänger und Nachfolger im Tal der Könige begraben.
Seine Grabstätte, KV 7, war allerdings unglücklich gewählt,
wurde durch zahlreiche Überschwemmungen beschädigt und dem Zugang
von Plünderern ausgesetzt. Von der Grabausstattung von möglicherweise
phantastischem Umfang sind nur unbedeutende Reste erhalten.
Grabraub hat in Ägypten eine große Tradition. Die üppigen
Schätze aus Edelmetall konnten wiederverwertet werden und das Gold mancher
erhaltenen Grabobjekte war möglicherweise zuvor mehrfach Bestandteil
älterer Kunstwerke gewesen. Der erste Bericht eines Einbruchs in das
Grab Ramses' Il. stammt aus der Herrschaft Ramses III., ca. 1165 v. Chr. Um
1050 v. Chr. hatte die Grabräuberei dem Grab so übel mitgespielt,
daß der bis auf die Haut ausgeplünderte Leichnam in neue Tücher
gehüllt und in einem einfachen Holzsarg in ein neues Grabversteck gelegt
wurde. Noch zweimal wurde die Mumie geborgen und erneut umgebettet und fand
ihre endgültige Ruhe schließlich in der fast unzugänglichen
Familiengruft des Hohepriesters Pinodjem Il. am Abhang des Talkessels von
Deir-el-Bahari.
Im Verlauf dieser Bergungen und Umbettungen wurde die Mumie mit pflanzlichen
Girlanden geschmückt - dies war alle Ehre, welche die Priester der Spätzeit
dem entwurzelten Pharao in seiner Notbestattung entbieten konnten. Vermutlich
geschah dies bei der ersten Bergung um 1050 v. Chr.
In seinem Versteck blieb der tote Pharao geborgen und ungestört - bis
etwa zum Jahr 18 75, als angeblich eine Ziege den Zugangsschacht entdeckte
und der Grabräuberfamilie Abd-elRassuls verriet. Im Handel auftauchende
Fundstücke führten Emil Brugsch im Dienst des ägyptischen Service
de Conservation des Antiquites 1881 zur Entdeckung der Grabkammer. Als der
Entdecker in die Kammer hinabstieg, fand er dort eine Ansammlung, vielmehr
eine Aufhäufung von 40 Mumien vor - Mumien aus königlichen und
hohepriesterlichen Geschlechtern, darunter eine ganze Kette der größten
Pharaonen der 18. und 19. Dynastie: Ahmose, Amenophis I., Sethos I. und sein
berühmter Sohn Ramses Il. Alle waren sie bei den Notbergungen der Spätzeit
in Sicherheit gebracht worden und fanden schließlich in diesem letzten
sicheren Zufluchtsort zusammen. Mit der Entdeckung der Cachette Royale schlug
die Stunde Georg Schweinfurths. Der Privatgelehrte und berühmte Forschungsreisende
im nordöstlichen Afrika war 1881 der Mann der Wahl, um die Pflanzenfunde
an den geborgenen Mumien botanisch zu untersuchen und zu bestimmen. Er schrieb
voller Begeisterung: „Dieser großartige Gräberfund hat für
die Kenntniß des Culturlebens der alten Aegpter eine besondere Bedeutung
durch die Fülle von natürlichem Blumenschmuck der an den Mumien
angebracht war und der sich in so vollkommener Weise erhalten hat, daß
die botanische Untersuchung der dreitausendjährigen Blatt und Blüthentheile
nichts zu wünschen übrig läßt."
Schweinfurth entwickelte eine Methode, das brüchige Material zu präparieren:
er legte es in Wasser ein, so daß es geschmeidig genug wurde, um entwirrt,
geglättet, analysiert und konserviert zu werden, ohne Beschädigungen
zu erleiden. Bei der Bestimmung der Pflanzen unterstützte ihn Paul Aschersohn,
Kustos am Botanischen Museum Berlin. Brugsch hatte den Inhalt der Cachette
Royale im Juli 1881 in großer Hast räumen lassen, da die legalen
Ausgräber nicht vor den Grabräubern sicher gewesen waren. Gaston
Maspero, Leiter des Service, bemerkte bei einer Nachuntersuchung ein halbes
Jahr später "..wir haben noch im Gang Blütengirlanden aufgesammelt."
Die Umstände der in Eile durchgeführten Notbergung brachten es mit
sich, daß vor Ort keinerlei Fotografien angefertigt wurden. Erst im
Ägyptischen Museum in Kairo hielt man die Sarkophage und Mumien in Fotografien
und Zeichnungen fest. Der Zustand von Ramses II. in seinem Sanrg ist aber
nur durch eine einzige undeutliche Fotografie erfaßt: sie zeigt wirr
verschlungene bandartige Girlanden auf der unteren Hälfte der Mumie.
Die entscheidene Zeichnung stammt von Georg Schweinfurth, kann aber bedauerlicherweise
keiner bestimmten Mumie zugeordnet werden. Die Zeichnung zeigt eine Mumie,
die noch mit dem äußeren Leichentuch bedeckt ist, welches mit
meterlangen Blumengirlanden umwickelt ist. Dieser Zustand wurde hier rekonstruiert.
Genauer wurde die Mumie Ramses' erst nach Entfernung der Girlanden und des
äußeren Leichentuchs dokumentiert. Fragmente der Original-Girlanden,
die das äußere Tuch schmückten, sind hier im Ägyptensaal
ausgestellt. Weitere Fragmente befinden sich in Kairo (Agricultural Museum),
Paris, London, Leiden und Frankfurt. Schweinfurth und Aschersohn stellten
fest, daß die Stränge der Girlanden Ramses II. aus gefalteten
Blättern des Baumes Mimusops Iaurifolia bestehen. Der stattliche Baum
äthiopischer Herkunft wurde im pharaonischen Ägypten viel angepflanzt.
weil man seine süßen Früchte schätzte: seine Blätter
sind im Pflanzenschmuck von Pharaonischen Mumien fast immer ein wichtiger
Bestandteil. Eingeflochten in diese Girlandenschnüre waren Blütenblätter
des Weißen Lotus Nymphaea lotus und des Blauen Lotus Nyrnphaea coerulea.
Ganze Blüten des Blauen Lotus waren unter die Binden der Mumie gesteckt.
Die Rekonstruktion der Mumie, wie in der Zeichnung Schweinfurths dokumentiert,
wurde mit frischem, sandgetrocknetem Pflanzenmaterial unter der Leitung von
Frau Heilmeyer im Jahre 2000 hergestellt Die umfangreichen Funde, die Schweinfurth
in seiner Privatsammlung behielt, vermachte er später mit seinem Nachlaß
dem Botanischen Museum Berlin, seinem langjährigen Arbeitsplatz. Sie
bilden den Kern unseres Ägyptensaals. Weitere Materialien aus Schweinfurths
Forschungen an den Mumien gelangten in das Ägyptische Museum Berlin und
die Staatsbibliothek Berlin.
Quelle: Text aus der Begleitdokumentation
zur rekonstruierten Mumie
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Die verbliebenen Girlandenreste, wie
sie heute im Museum zu besichtigen sind (Fotomontage, links)
Blüten von Nymphaea coerulea aus
dem Sarg Ramses' II. (rechts)
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Weitere Ausstellungsstücke
aus dem Ägyptischen Saal
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getrocknete Papyrusstauden
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zum Vergleich:
grüner Papyrus
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Aufnahmen aus der "Biosphäre",
Buga-Gelände Potsdam |
Auf Mund und Augen der Prinzessin Nessichonsu, 21. Dyn.,
geklebte Schalen von Crinum sp.
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Blumengewinde der Mumie Ahmose I.,
18. Dyn., Blätter von Salix safsaf, Blüten von Delphinum orientale,
Kronblätter von Nymphaea lotus und Alcea ficifolia,
gehalten durch Blattstreifen der Dattelpalme
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Blattgewinde von Olea europaea, 300
- 300 n.Chr.
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Nachbildung des Blumenkragens aus der
Begräbnisfeier des Tut-anch-Amun, 18. Dyn. Der Halskragen wurde in einem
Vorratskrug mit dem Siegel des Königs im Tal der Könige gefunden.
Augenscheinlich handelt es sich um Reste der Begräbnisfeierlichkeiten
für den Pharao, die abseits des Grabes abgelegt wurden. Der Kragen besteht
aus Blättern der Weide, des Ölbaums und des Baumes Mirreasopa laurifolia,
Blütenständen des wilden Sellerie sowie Schlafbeeren und blauen
Fayencescheibchen. Dieses Vorbild gibt eine Ahnung von dem zerfallenen Halskragen,
der den innersten Sarg Tut-anch-Amuns schmückte.
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Zweig von Ficus sycomorus,
aus dem Grabe eines Privatmannes, 20. Dyn.
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Schilfrohr Phragmites communis, 2000
v.Chr.
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Tempelschrift auf Papyrus
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Reste eines verkohlten Leinengewebes,
aus dem Grab des Menes zu Naqada, 1. Dyn.
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Leinwand zur Umhüllung eines Körpers,
prähistorische Epoche
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Zusammenhängende Ährenteile
von Emmer, Triticum dicoscum, Mittleres Reich, um 2400 v.Chr.
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Oben: gemälzte Gerste aus dem
Schutt bereits geplünderter Gräber, 18. Dyn.
Links unten: Antike sechszeilige Gerste aus Mumiensärgen
Rechts unten: Gerste, Kordeum vulgaris, etwa 12. Dyn.
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Täschchen aus dem Gras Eragrostis
cynosuroides, gefüllt mit Knöllchen von Cyperus exculentus, 22.
Dyn.
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Funde aus dem Grab Amenophis' II., 18. Dyn.
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Feine Leinwand, wohl zur Umhüllung
wertvoller Gaben
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