Das Mumienversteck von Deir el-Bahri
(erschienen
in Kemet
02/06
"Deir el-Bahari")

Lage der "Cachette", im Vordergrund rechts
die Rampe zum Tempel der Hatschepsut,
dahinter die Ruinen des Tempels von Mentuhotep Neb-hepet-Re; hinter dem
ersten
Bergrücken befindet sich die Cachette.
„Im Sommer 1871“, schreibt Gaston Maspero,
seit 1881
Direktor des ägyptischen Museums in Boulaq/Kairo und Chef des
ägyptischen
Antikendienstes, in „Lés momies royales de Déir
el-Bahari“ im Jahre 1889, „entdeckte
ein Araber aus Qurna (Theben-West) ein Grab, gefüllt mit wahllos
übereinander
gestapelten Särgen“. Es war der Fund der bis heute berühmten
Familie
Abderrassoul. Die Brüder Mohammed, Soliman und Ahmed Abderrassoul
hatten damit
das große Los gezogen und waren lange Zeit nicht gewillt, ihre
Entdeckung
preiszugeben. Das Grab war eine willkommene Einkommensquelle für
die ganze
Familie. In ihren von Zeit zu Zeit durchgeführten nächtlichen
Beutezügen
entnahmen sie ausgewählte Stücke und schleusten sie in den
Antikenhandel.
Drei Jahre nach dem
geheimen Fund, 1874, tauchten im Pariser Antikenhandel einige durch den
Transport zwar sehr ramponierte, jedoch in bezauberndem Blau glasierte
Figurinen
auf, von denen Maspero eine zu Gesicht bekam. Sie trug eine Kartusche
mit dem
Thronnamen Cha-cheper-Re.
Genaue Rückschlüsse konnte Maspero daraus nicht
ziehen, denn dieser Thronname war von zwei ägyptischen
Königen bekannt, von Sesostris
II. (12. Dynastie) und Pinudjem
I. (21. Dynastie, Hohepriester des Amun in
Theben und „Titularkönig“). Im Frühjahr 1876 übergab der
englische General
Campbell Maspero ein in hieratischer Schrift abgefasstes
Schriftstück mit der
Erwähnung des Hohepriesters des Amun Pinudjem (Pinudjem II., 21. Dynastie), das
er in Theben für 400 Pfund Sterling erworben hatte. 1877 zeigte
Louis de Saulcy
(französischer Museums-Kurator und Numismatiker) Maspero Fotos
eines langen
Papyrus der Königin Nodjmet
(Gemahlin des Herihor, 21.
Dynastie, Hohepriester
des Amun in Theben und „Titularkönig“). Das Original sollte von
einem syrischen
Dragoman in Luxor erstanden worden sein. Auguste Mariette (Masperos
Vorgänger
im Amt) hatte bereits einen Papyrus gleicher Herkunft in Suez erworben,
jedoch
mit dem Namen der Hennutaui
(Gemahlin des Pinudjem I.)
versehen. 1878 stellte
Rogers-Bey (Edward Thomas Rogers, britischer Diplomat und Sammler) in Paris eine beschriftete Holztafel aus. Es
handelte sich um ein Dekret des Gottes Amun zugunsten von Uschebtis,
die mit
der Neschons (Gemahlin des Pinudjem II.) bestattet worden
waren. Zu diesem
Zeitpunkt wurde klar, dass das Auftauchen all dieser Stücke
innerhalb weniger
Jahre kein Zufall sein konnte. Irgendwo in Theben musste ein Grab der
21.
Dynastie gefunden worden sein, dessen Beigaben Stück für
Stück illegal auf den
Markt kamen. Nun nahm das Schicksal seinen Lauf. Maspero reiste im
März/April
1881 zwecks Recherche nach Oberägypten, wobei er sich sehr wohl
bewusst war,
das es äußerst schwierig werden würde, die
Verantwortlichen auszumachen.
Langwierige Befragungen von Aufkäufern und europäischen
Touristen brachten
schließlich eine wichtige Erkenntnis: als Verkäufer von
königlichen Artefakten
tauchte hauptsächlich ein gewisser Mohammed Abderrasoul auf, sein
Bruder Ahmed
sowie Moustapha Agha Ayat, konsularischer Agent von England, Belgien
und
Russland, wobei Letzterer sich durch diplomatische Immunität einer
etwaigen
Strafverfolgung ohne weiteres entziehen konnte. Maspero zögerte
noch einige
Tage, entschied sich dann jedoch, drastische Maßnahmen
einzuleiten. Am 4. April
1881 ließ er Ahmed Abderrassoul kurzerhand durch die lokale
Polizei festnehmen.
Gleichzeitig erbat er von Daud Pascha, dem Mudir (Gouverneur) von Qena,
telegrafisch die Genehmigung zur umfassenden Vernehmung der
einflussreichsten
Einwohner des Dorfes Sheik Abd-el-Qurna. Ahmed Abderrassoul wurde in
Begleitung
von zwei Polizisten an Bord von Masperos Schiff gebracht. Da er selbst
nur ungenügend
Arabisch sprach, ließ er die Befragung des Delinquenten
zunächst durch Emile
Brugsch, Assistenz-Konservator am Museum von Boulaq, und später
von de
Rochemonteix, Unterverwalter der Commission des Domaines de
L’État, in seinem
Beisein durchführen. Ahmed bestritt alle ihm zur Last gelegten
Vergehen. Er war
weder mit Milde, noch unter Androhung von Gewalt oder mit Geldangeboten
zur
Zusammenarbeit zu bewegen. So wurden Ahmed und einer seiner
Brüder,
Hussein-Ahmed, am 6. April 1881 an den Mudir von Qena überstellt,
wo ihnen der
Prozess gemacht werden sollte. Maspero kehrte zurück nach Kairo
und es dauerte
noch über zwei Monate voller Intrigen und Querelen
zwischen den an den Grabräubereien
Beteiligten, ehe am 25. Juni 1881 das erlösende Telegramm eintraf.
Der Älteste
der Abderrassoul-Brüder hatte sich besonnen und war intelligent
genug, den
Grabfund gegen den Willen seiner Brüder zu gestehen und dessen
Lage
preiszugeben. Die Quelle des Wohlstands war für die Abderrassouls
ohnehin
verloren.

|

|

|

|

|
Mumie
des Ahmose*
|
Blumengirlande
des Ahmose (Botanisches Museum
Berlin)
|
Amenophis
I.*
|
Mumie
der Isisemcheb*
|
Mumie
der Neschons*
|
* Quelle: Catalogue
Général Antiquités Egyptiennes du Musée du
Caire, 1915
Der Konservator des Boulaq-Museums
Luigi Vassalli befand
sich zu diesem Zeitpunkt in den Ferien und Maspero selbst war ebenfalls
nicht
in Ägypten; er war zur Regelung privater Angelegenheiten nach
Frankreich
gereist. So erteilte er Emile Brugsch den Auftrag, „alles Nötige
zu
veranlassen“. Brugsch machte sich am 1. Juli 1881 gemeinsam mit einer
Delegation des Museums auf den Weg nach Oberägypten. Am 4. Juli
1881 erreichten
sie Qena, wo Daud Pascha eine Überraschung für sie
bereithielt. Aus einem Depot
von Mohammed Abderrassoul waren diverse wertvolle Objekte ans Licht
gekommen,
so unter anderem vier Kanopen der Königin Ahmes-Nefertari (vergöttlichte
Mutter
von Amenophis I.) und drei
Totenbuch-Papyri der Maatkare
(Tochter von Pinudjem
I.) und Isisemcheb
(s.u.) sowie der Neschons
(Gemahlin von Pinudjem II.).
Am 6.
Juli 1881 führte Mohammed Abderrassoul die Delegation
schließlich zu dem
geheimnisvollen Grab, das heute unter der Bezeichnung Cachette von Deir
el-Bahri, DB320 oder TT320 bekannt ist. Die Brüder Abderrassoul
hatten bereits
über den Inhalt des Grabes berichtet. Mehr als dreißig
Särge, größtenteils
beschriftet, seien dort gelagert,
zusammen mit einer großen Menge an Statuetten und Alabaster.
Darstellungen von
Schlangen und anderen Ornamenten ließen keinen Zweifel, dass es
sich um einen
königlichen Platz handele. Trotzdem muss es Brugsch beim ersten
Anblick nach
dem Abseilen in den Grabschacht die Sprache verschlagen haben. In einem
Interview im Jahre 1887 sagte er: „Bald
trafen wir auf Kisten voller Grabbeigaben aus Porzellan,
Gefäße aus Metall und
Alabaster, Draperien und Geschmeide, bis an der Biegung des Ganges eine
ganze
Traube von Mumienbehältern in solcher Zahl in Sicht kam, dass mir
der Atem
stockte.“ Inzwischen ging wohl auch niemand mehr davon aus, dass es
sich hier
nur um ein Königsgrab der 21. Dynastie handelte. Es war ein Depot
für die umgebetteten
sterblichen Hüllen von Pharaonen des Neuen Reiches. „Et quels
Pharaons!“ - und
was für Pharaonen, schreibt Maspero. Die berühmtesten
Regenten Ägyptens waren
darunter: Seqenenre-Tao, Ahmose I., Thutmosis III., Sethos I., Ramses II. Die
Brüder Abderrassoul hatten ihr Geheimnis bis dahin so gut bewahrt,
dass selbst
die Einwohner von Luxor und Qurna überrascht reagierten. Es war
also nicht
verwunderlich, dass die rege Geschäftigkeit der Europäer die
Gerüchteküche der
Gegend zum Brodeln brachte. Man sprach von Kisten voller Gold, von
Ketten aus
Diamanten und Rubinen. Vermutlich war Brugsch diese Unruhe sehr
unbehaglich und
er handelte schnell. In großer Eile wurden 200 Arbeiter
versammelt, die bei der
Bergung der rund 40 Sarkophage und etwa 6.000
sonstigen Artefakte helfen
sollten. Innerhalb von 48 Stunden harter Arbeit war die Cachette
geräumt und
der Transportkonvoi schlängelte sich in Richtung Osten (Abb. rechts: zeitgenössische
Illustration in der London News, 1882). Einige
Sarkophage
mussten wegen ihrer Größe von zwölf oder sogar sechzehn
Männern getragen
werden, die in der Hitze des Juli einen sieben- bis achtstündigen
Weg durch die
Thebaner Berge bis zum Nilufer zurücklegten. Gegen 11 Uhr am Abend
waren
Mumien, Särge und Mobiliar in Luxor angekommen und
ordnungsgemäß in Segeltuch
eingeschlagen. Drei Tage später machte die Menshiéh,
das Museumsschiff, in Luxor fest, um die Artefakte aufzunehmen und nach
Boulaq
zu transportieren. Brugsch und Maspero hatten den Inhalt der Cachette
in einer
Blitzaktion in Sicherheit gebracht. Bis heute fehlt jedoch jegliche
wissenschaftlich fundierte Dokumentation – ein nicht wieder gut zu
machendes
Versäumnis, das die moderne Wissenschaft in große
Bedrängnis bringt. Ebenso wie
Maspero seine „Momies royale“ publizierte auch Brugsch im Jahre 1889
seine
Eindrücke über das ägyptologische Großereignis von
1881 in „La tente
funéraire“. Auch diese Arbeit hinterlässt den Eindruck
eines
Gedächtnisprotokolls, denn die Maßangaben sind spärlich
und widersprüchlich.
Maspero gibt die Länge des Zugangsschachtes A mit 12 m an, Brugsch
mit 11 m. Den
sich von der Sohle des Schachtes in Richtung Osten öffnenden Gang
B beschreibt
Maspero mit einer Breite von 1,40 m und einer Höhe von 0,80 m,
während Brugsch
1,40 x 1,15 m vermerkt. Die Länge des Ganges B bis zu seiner
Wendung in
Richtung Norden variiert bei beiden nur um 10 cm (7,40:7,50 m). Die
Gesamtlänge
des Ganges C/D/F variiert um 30 cm (61,80:61,50 m). Die Breite der
östlich des
Ganges befindlichen Nische E einschließlich der davor
befindlichen Stufen
benennt Maspero mit 7,80 m, Brugsch mit 7,30 m; zusätzlich
existieren im
Lageplan von Brugsch weitere zwei Stufen hinter der Nische. Dafür
ist die
Anzahl der Stufen vor der Nische bei Maspero mit 8, bei Brugsch nur mit
5
angegeben.
Lageskizze nach Maspero:
Lageskizze nach Brugsch:
Aktuelle Planaufnahme nach Graefe:
Die
Nachuntersuchungen der Universität Münster
Diese und andere Ungereimtheiten
veranlassten das Institut
für Ägyptologie und Koptologie der Universität
Münster und Professor Dr. Erhart
Graefe, gemeinsam mit dem Department of Egyptology der Russian Academy
of
Science, Moskau, im Jahre 1998 zu einer Nachuntersuchung von DB/TT320.
Als
Folge der Untersuchungen waren diverse Korrekturen an den
Lageplänen von
Brugsch und Maspero anzubringen. So ist Gang B als absteigend mit
eingearbeiteten Stufen erkannt worden. Masperos Höhe von 0,80 m
muss wohl in
1,80 m umgewandelt werden (wahrscheinlich ein Schreibfehler in Masperos
Manuskript); durch die Neigung des Ganges kann die Höhe jedoch
keine statische
Größe sein. Eine Nachmessung der seitlichen Nische brachte
ebenfalls ein
überraschendes Ergebnis. Maspero maß eine Länge von 3
m, die jedoch nur an der
Decke der Nische gemessen worden sein kann, und das obwohl Brugsch die
Beschaffenheit der Decke ausdrücklich als morsch bezeichnete. Der
Boden ist in
Stufen in Richtung Rückwand abgetragen worden und der Vortrieb war
in der
linken hinteren Ecke weiter fortgeschritten als rechts. Die
Nischenhöhe beträgt
über der hintersten Stufe nur noch 0,70 m. Es ist unmöglich,
dass der Sarg der Ahmes-Nefertari
(Länge 3,78 m) wie angegeben dort gelagert war. Innerhalb der
Nische sollen 5 (oder sogar 24) Särge Platz gefunden haben, was
sich ebenfalls
als unrealistisch erweist. Die Nische selbst darf als nicht fertig
gestellte
Graberweiterung angesehen werden. Auch die Grabkammer G, von Maspero
als 5 m
hoch angegeben, misst tatsächlich nur
eine Höhe von etwa 2 m. Die Grabkammer verfügt hinten und
rechts über „Bänke“,
d.h. stehen gebliebenes anstehendes Gestein. Offensichtlich war dies
weder von
Maspero noch von Brugsch bemerkt worden. Jedenfalls ist in den
seinerzeit
angefertigten Lageskizzen nichts Derartiges angedeutet. Diese
Absätze sind
Überbleibsel von der Anlage der Kammer. Auf der linken Seite fehlt
der mittlere
Teil, der bereits abgeschlagen worden war, während der Rest wohl
nicht mehr
weiterbearbeitet werden konnte. Die
Grabkammer war demzufolge nicht vollendet worden. Während der
bisherigen
Kampagnen fand das Team von Erhart Graefe noch Unmengen an
Gegenständen bzw.
Fragmenten, obwohl Maspero und Brugsch im Januar 1882 eine
Nachinspektion
vorgenommen hatten. Einige Fundstücke deuten darauf hin, dass die
ungeschützten
Särge beim Ausräumen der Cachette an Seilen hinaufgezogen
wurden und hin und
her pendelnd gegen die Schachtwände stießen. Dabei brachen
wahrscheinlich immer
wieder Fragmente ab, die später nicht eingesammelt wurden. Man
stieß auch auf
Spuren von mutwilliger Zerstörung. Ein abgesplittertes stuckiertes
Stück Holz
mit Goldresten war offensichtlich mit einer Axt o.ä. traktiert
worden. Ein
grüner Lederstreifen fand sich in der Grabkammer. Er wird als
Hinweis dafür
angesehen, dass das Bestattungszelt der Isisemcheb ursprünglich
ebendort zusammengefaltet
abgelegt worden war. Brugsch allerdings, der den Fund des Zeltes sehr
ausführlich und malerisch in „La tente funéraire“
beschreibt, möchte es in
einer Vertiefung direkt am Ende des nach Osten führenden Ganges,
also relativ
nah am Eingang, gefunden haben. Bei einer Überprüfung der
Mauern sei er dort
auf eine zunächst undefinierbare Masse gestoßen, die sich
als
zusammengefaltetes, reich coloriertes Begräbniszelt erwies. Er
identifizierte
das Material als Ziegenleder, das auch nach einer so langen Zeit noch
sehr
weich und biegsam gewesen sei. Das Zelt, dessen Größe er mit
2,80 x 2,40 m
angibt bei einer Höhe von 2,16 m, trug links und rechts
Inschriften, so dass es
eindeutig Isisemcheb
(eventuell Tochter des Masaharta,
Sohn des Pinudjem I.)
zugeordnet werden konnte. Isisemcheb
wird in den Inschriften als „Tochter des
Hohepriesters des Amun“ bezeichnet. Die bisherigen Ergebnisse der
Graefe-Mission liegen zur Zeit nur in vorläufigen Publikationen
vor. Es bleibt
zu hoffen, dass die Untersuchungen trotz teilweise
lebensgefährlichen Einsatzes
(das Gestein der Cachette ist sehr brüchig und porös)
fortgesetzt werden
können, um die Erkenntnisse weiter zu vervollständigen.
Der qAy der Inhapi
Ein nach wie vor ungeklärter
Punkt ist die Datierung der Cachette,
also wann und für wen das Grab ursprünglich
angelegt wurde, bevor es als Unterschlupf und Schutz
vor Grabräubern für
königliche und andere Mumien diente. Als die Mumien aufgefunden
wurden, lagen
sie teilweise in ihren eigenen, größtenteils jedoch in
fremden, wieder
verwendeten Särgen. Die teilweise mehrfachen Umbettungsaktionen
wurden auf
Schildern (Dockets) oder direkt auf den Mumienbinden vermerkt. Auch
überlieferte Papyri geben Auskunft über die Abläufe.
Einige Bespiele:
Jahr 1 Ramses IX. (~
1127 – 1104 v. Chr.)
Die
Gräber Ramses’ II. und Sethos
I. wurden geplündert (Pap. Mayer)
Jahr 16 Ramses IX.
Eine Inspektion
der Gräber Amenophis’ I.
und Seqenenre-Tao fand diese
unberührt (Pap. Abbott)
Jahr 6 Herihor (~ 1075 – 1069 v. Chr.)
Erneuern der
Begräbnisstätten Ramses’ I.,
Sethos’ I. und Ramses’ II. Sie wurden wieder
bestattet – in ihren eigenen Gräbern.
Jahr 1 Smendes/Pinodjem I. (~ 1069 – 1026
v. Chr.)
Nodjmet wird in
das Grab Sethos’ I.
verbracht, das vermutlich vorübergehend als „Werkstatt“
diente.
Jahr 6 und 16 Smendes/Pnodjem I.
Amenophis I. wird zweimal
wiederbestattet, u.a. im qAy
der
Inhapi, einem bisher nicht identifizierten Ort. Bei späteren
(Wieder)bestattungen
anderer Personen in der Cachette taucht in diesem Zusammenhang die
Bezeichnung
„am königlichen Platz, wo Amenophis
liegt“ auf.
Jahr 10 Smendes/Pinodjem I.
Sethos I. wird neu gewickelt
Jahr 15 Smendes/Pinodjem I
Ramses II.
wird ins Grab Sethos I.
verbracht
Neben dem Grab Sethos’ I. scheinen noch
verschiedene andere
Orte als Werkstatt gedient zu haben. Die Mumie Ramses III. wurde während der
Regierungszeit von Smendes/Pinudjem
I. mehrfach neu gewickelt. Auf den
Mumienbinden taucht als Ort eine Bezeichnung für den Totentempel Ramses’ III.,
Medinet Habu, auf (so Galina A. Belova). Im Text aus
Jahr 13 werden als Ausführende der
Vorsteher der Tempelschreiber Djesersuchons
und der Schreiber der Nekropole Butehamun
genannt
(s. Reeves „Valley of the Kings“, 235). Das Haus des Butehamun befand
sich bekanntlich auf dem Tempelgelände von Medinet Habu. Das
Grab 49 im Tal der Könige (Besitzer unbekannt) trägt am
Eingang zwei Grafitti.
Der Text handelt von der Einlagerung von 70 Mumienbinden und anderen
Leinenobjekten zu zwei verschiedenen Anlässen (ders., 230). Die
Annahme, dass
dieses Grab ebenfalls als Restaurierungswerkstatt diente, ist nicht von
der
Hand zu weisen.
Als qAy der Inhapi (Gemahlin
des Seqenenre-Tao, 2.
Zwischenzeit) und „königlicher Platz, wo Amenophis liegt“
wurde lange Zeit die Cachette DB/TT 320 angesehen; die Mumie Amenophis’ I.
wurde jedenfalls dort vorgefunden. Folgt man dieser Annahme, dann
wäre das Grab bereits in der frühen 18. Dynastie angelegt
worden. Mit dem qAy
(hochgelegener/hoher Ort) könnte
wegen ihrer Höhe, wie Elizabeth Thomas konstatiert,
die Kammer E in der Cachette
bezeichnet worden sein, jedoch belegt die moderne Nachuntersuchung,
dass diese
Kammer alles andere als hoch ist. Die Mumie der Inhapi wurde in der Tat in der
Cachette aufgefunden. Sie befand sich jedoch im Sarg der Amme Rai, der
unmittelbar am Zugang auf den Stufen des absteigenden Korridors A
stand. Auch
deshalb erscheint es unwahrscheinlich, dass die Cachette für
Inhapi angelegt
worden war. Ein weiterer möglicher Platz für den qAy
der Inhapi könnte das
Grab WN A (siehe Abb.
rechts: Lageplan nach Porter& Moss) hoch in den Felsen ganz
in der Nähe
von Deir el-Bahri sein. Eine weitere Hypothese hat Erhart Graefe in die
Diskussion
eingebracht (SÄK 2005). Nach seiner Auffassung ist qAy nicht als
„hochgelegener Ort“, sondern als „Hügel“
zu lesen. Er sieht in diesem „Hügel“ die Nekropole in Dra Abu
l’Naga – u.a.
auch Begräbnisort von Seqenenre-Tao
und Amenophis I. - und das
Grab des
Letzteren als Zwischenlager für die Königsmumien. Man kann
also daraus die - nach
wie vor nicht eindeutig bewiesene - Schlussfolgerung ziehen, dass die
Cachette
erst in der 21. Dynastie für die Familie der Hohepriester des Amun
angelegt
wurde; denkbar ist auch die Erstbelegung des bereits vorhandenen aber
wegen
seiner Brüchigkeit einst aufgegebenen Grabes. Für die
Erstbelegung in der 21.
Dynastie sprechen mehrere Indizien. Die weit hinten gelegene Grabkammer
G
enthielt die Familienbestattungen des Hohepriester des Amun Pinudjem II. Das
erste dort beigesetzte Familienmitglied dürfte die jung
verstorbene Neschons
gewesen sein, fünf Jahre später gefolgt von ihrem Gemahl. Am
Eingang der
Cachette befindet sich ein Graffito aus dem Jahr 10 des Siamun (6. König der
21. Dynastie):
„Jahr 10, 4
prt
20. Tag der Bestattung des Osiris, des Hohepriesters des Amun-Re -
König der
Götter, Obervorsteher der Armee, des Anführers/Ersten Pinudjem, durch den
Gottesvater des Amun und Aufseher des Schatzhauses, Djedchonsiuefanch, den
Gottesvater des Amun, Armeeschreiber und Oberinspektor Nespakashuty, den
Priester des Amun […]enamun, den Gottesvater des Amun Wennufer, durch den
königlichen Nekropolenschreiben Bakenmut,
den Vorsteher der Arbeiten Pediamun,
den Vorsteher der Arbeiten Amenmose,
den Gottesvater des Amun und Vorsteher der
Geheimnisse Pediamun, Sohn
des Anchefenchons.“
(Quelle:
Reeves, Valley of the Kings, 1990, Originaltext in englischer Sprache)
Man kann demzufolge wohl davon
ausgehen, dass es sich bei
der Cachette DB/TT320 um eine ursprüngliche
Begräbnisstätte der 21. Dynastie
handelt und dass die Bezeichnung „Platz wo Amenophis liegt“ nicht mit dem qAy der Inhapi in
Zusammenhang
gebracht werden kann. Der Hinweis auf den seit langem
vergöttlichten Amenophis könnte
bedeuten, dass dieser König der erste war, der in der Cachette zur
(aller)letzten Ruhe gebettet wurde, möglicherweise noch vor den
Familienmitgliedern des Pinudjem II.
Wahrscheinliche
Belegung der Cachette bei ihrer Entdeckung

Nachstehende Tabelle zeigt die
Mumien/Särge/Sonstiges der
Personen, die von Brugsch im Jahre 1881 aus der Cachette geräumt
wurden. Die
Buchstaben geben die Fundorte an und korrespondieren mit dem obigen
Schema sowie mit den Lageplänen von
Maspero, Brugsch und Graefe (x = genaue Position unbekannt)
|
Name
|
Status
|
Dynastie
|
Mumie
|
Sarg
|
Sonstiges
|
Bemerkungen
|
1
|
Aa-hotep
|
Gemahlin
Seqenenre Tao
|
17
|
|
E
|
|
enthielt Mumie
Pinodjems I.
|
2
|
Ahmose
Henut-tem-pet
|
Tochter Seqenenre
Tao + Aa-hotep
|
17
|
|
x
|
|
|
3
|
Ahmose
Henutti-mehu
|
Tochter
Seqenenre-Tao + Inhapi
|
17
|
x
|
x
|
|
|
4
|
Ahmose Inhapi
(Ti-net-Hapi)
|
Gemahlin Seqenenre Tao
|
17
|
B
|
|
|
Mumie im Sarg Rai
|
5
|
Ahmose Merit-Amun
|
Tochter Seqenenre
Tao + Aa-hotep
|
17
|
x
|
|
|
Mumie im Sarg
Seniu
|
6
|
Ahmose Nefertari
|
Gemahlin Ahmose,
Mutter Amen-hotep I.
|
17/18
|
E?
|
E
|
4 Kanopen
|
Sarg enthielt
auch Mumie Ramses’ III.
|
7
|
Sipair
|
Sohn Seqenenre Tao
|
17
|
x
|
x
|
|
Sarg mit dem des
anonymen Kindes identisch?
|
8
|
Sit-kamose
(Sat-Kamose)
|
evtl. Tochter
Teti-scheri
|
17
|
x
|
|
|
Mumie im Sarg des
Pedi-Amun
|
9
|
Ahmose I.
|
König
|
17
|
E
|
E
|
|
|
10
|
Amen-hotep I.
|
König
|
18
|
C
|
C/E?
|
|
Ursprünglicher
Sarginhaber Djehuty-mose
|
11
|
Baket
|
?
|
19
|
x
|
x
|
|
|
12
|
Djed-Ptah-iu-f-anch
|
2. oder 3.
Prophet des Amun-Re, Königssohn
|
21
|
G
|
G
|
3
Uschebtikästen, Osirisfigur, Papyrus
|
|
13
|
Hat-schepsut
|
Königin
|
18
|
|
|
Holzkasten mit
mumifizierter Leber oder Milz
|
|
14
|
Henut-taui
|
Gemahlin Pinudjem
I.
|
|
B
|
B
|
2
Uschebtikästen, Osirisfigur, Papyrus, Kanopen
|
Innen- und
Außensarg, Außendeckel fehlt
|
15
|
Isis-em-cheb
|
evtl. Tochter
Masaharta, Gemahlin Pinudjem II.
|
21
|
G?
|
G?
|
Lederzelt,
Ständer mit 4 Kupferkrügen, Uschebtikasten (zerbr.),
Osirisfigur, Papyrus, Kanopen
|
|
16
|
Maat-ka-Re
|
Tochter Pinudjem
I. + Hennut-taui, Gottes-gemahlin des Amun
|
21
|
G?
|
G?
|
2
Uschebtikästen, Osirisfigur, Papyrus, Affenmumie
|
|
17
|
Masaharta
|
Sohn Pinudjem I.
|
21
|
G?
|
G?
|
Lederzeltfragmente?
|
|
18
|
Meri-mose
|
Vizekönig
von Kusch
|
18
|
|
|
Kalzit-Kanopen
mit Holzdeckel
|
|
19
|
Neb-seni
|
Wab-Priester
/Schreiber
|
18
|
B?
|
B
|
|
|
20
|
Nes-Chons
|
Gemahlin Pinudjem
II.
|
21
|
G
|
G
|
Kanopen,
Kupferkrüge, Korb mit Glas-/Fayencekrügen, Uschebitkasten,
Osirisfigur, Papyrus, Dekret
|
Ein Sarg enthielt
Mumie Ramses’ IX.
|
21
|
Nes-ta-neb-aschru
|
Tochter Pinudjem
II. und Nes-Chons, evtl. Gemahlin Djed-Ptah-iu-f-anch
|
21
|
G
|
G
|
Kupferkrüge,
Uschebtikasten (zerbr.), Osirisfigur, Papyrus, Kanopen
|
|
22
|
Nedjemet
|
Gemahlin des
Heri-Hor
|
21
|
x
|
x
|
Hölzerner
Kanopenkasten, Osirisfigur, Papyrus
|
|
23
|
Paheri-pedjet
|
Diener am Platz
der Wahrheit (Nekropolen-arbeiter)
|
20
|
|
x
|
|
Enthielt Mumie Rai
|
24
|
Pedi-Amun
|
?
|
21
|
|
x
|
|
Enthielt Mumie
Sat-kamose
|
25
|
Pinodjem I.
|
Hohepriester des
Amun, Titularkönig
|
21
|
E
|
C
|
2
Uschebtikästen
|
Särge von
Thutmosis I. usurpiert
|
26
|
Pinodjem II.
|
Hohepriester des
Amun
|
21
|
G
|
G
|
2 (?)
Uschebtikästen, Osirisfigur, Papyrus, Kanopen (?)
|
|
27
|
Rai
|
Amme der Ahmose
Nefertari
|
17/18
|
x
|
B
|
|
|
28
|
Ramses I.
|
König
|
19
|
|
C?
|
|
Enthielt Mumie
einer Unbekannten (Teti-scheri?); mögl. Mumie des Königs
jetzt im Luxor-Museum nach Rückführung aus Atlanta
|
29
|
Ramses II.
|
König
|
19
|
E?
|
E?
|
|
|
30
|
Ramses III.
|
König
|
20
|
E
|
E
|
|
|
31
|
Ramses IX.
|
König
|
20
|
G?
|
|
Kasten mit
Elfenbeineinlage
|
Mumie in einem
der Särge Nes-Chons
|
32
|
Seniu
|
Oberdomänenverwalter
der Gottesgemahlinnen des Amun
|
21
|
|
x
|
|
Enthielt Mumie
der Merit-Amun
|
33
|
Seqenenre Tao
|
König
|
17
|
E
|
E
|
|
|
34
|
Sethos I.
|
König
|
19
|
B
|
B
|
|
|
35
|
Siamun
|
Sohn Ahmose +
Ahmose Nefertari
|
17./18.
|
E
|
E
|
|
|
36
|
Siese
|
königlicher
Schreiber
|
?
|
|
|
Kanopenkrug
|
|
37
|
Sat-Amun
|
Tochter Ahmose +
Ahmose Nefertari
|
17/18
|
x
|
x
|
|
|
38
|
Suty-mose
(Djehuty-mose)
|
Sängerin der
Ahmose Nefertari
|
?
|
|
|
Kanopensärgchen
|
|
39
|
Tau-heret
|
Erste des Harims
des Amun-Re
|
21
|
G?
|
G?
|
Uschebtikasten
(zerbrochen)
|
|
40
|
Teti-scheri
|
Mutter Seqenenre
Tao
|
17
|
|
|
Mumienbinden
|
|
41
|
Thutmosis I.
|
König
|
18
|
C
|
|
|
Mumie im Sarg
Pinudjems I.
|
42
|
Thutmosis II.
|
König
|
18
|
C
|
C
|
|
|
43
|
Thutmosis III.
|
König
|
18
|
E?
|
E?
|
|
|
44
|
Wep-mose
|
königlicher
Schreiber
|
?
|
|
|
Kanopenkrug
|
|
45
|
Wep-wawet-mose
|
Bevollmächtigter
der Armee
|
?
|
|
|
Kanopenkrug
|
|
+ 8 anonyme
Mumien bzw. Särge
|
Tabelle nach „Das
Tal der Könige“
(Reeves/Wilkinson), „Valley of the Kings“ (Reeves), Porter & Moss,
„Royal
Families“ (Dodson)
Gitta
Warnemünde
Verwendete Literatur:
Reeves N./Wilkinson, R.H.
|
Das Tal der Könige, 1996
|
Dodson, A./Hilton, D.
|
The Complete Royal Families, 2004
|
Reeves, N.
|
Valley of the Kings, 1990
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Ikram, S./Dodson, A.
|
Royal Mummies in the Egyptian Museum, 1997
|
Belova, G.A.
|
in “Egyptology at the Dawn of the 21.
Century”, 2000
|
Maspero, G.
|
Les momies royal de Déir el-Bahari, 1889
|
Brugsch, E.
|
La tente funéraire, 1889
|
Porter, B./Moss, R.L.B.
|
The Theban Necropolis, Part 2, 1964
|
Graefe, E.
|
in MDAIK Band 56, 2000
|
Graefe, E.
|
http://www.uni-muenster.de/Philologie/Iaek/fo.html#P1
|
Graefe, E.
|
in KMT 3/2004
|
Smith, G.E.
|
Catalogue Général
Antiquités Egyptiennes du Musée du Caire, 1915
|
Graefe, E.
|
SÄK 2005
|
|